Nicht-sagen
Anna hat die Schnauze voll.
Von allem, was nicht aus derselben kommt. Was nicht gesagt wird und deshalb umso lauter und verletzender ist. Neulich traf sie einen Bären. (Anna geht, wie wir alle wissen, gerne in den Zoo und im Zoo trifft man Tiere und denen schaut Anna dann bei ihren Kunststückchen zu.) Nun, dieser Bär hatte ein Talent, das Anna völlig fehlt und das irgendwie auch den meisten Menschen fehlt, die Anna gern hat und irgendwie auch der Grund ist, warum Anna diese Menschen gern hat... kurz und gut: dieser Bär konnte schweigen. Zuhören, überlegte dreimal, bevor er seine Pranke schwang und schwang sie also nicht. Anna fand das faszinierend.
Anna kann nicht schweigen, wenn Anna nichts zu sagen hat, spricht sie erst recht. Schweigen ist vielleicht Gold, Gold liegt aber schwer im Magen. Der Bär schwieg und sah Anna an. Lange. Einmal schien er seine Pranke auf ihre legen zu wollen, aber vor lauter konzentriertem Reden hielt Anna das schnell für einen Fehler und ... redete weiter. (Was der Bär da dachte, wissen wir nicht. Werden wir auch nicht wissen, auch nicht, was dieses leichte Regen seiner Pranke zu bedeuten hatte. Vielleicht ja gar nichts. Vielleicht alles.)
Annas Reden mag therapeutisch erscheinen. Ist es auch. Aber Anna versteht nicht, wie es anders gehen kann. Der Bär schweigt weiter. Seine Pranke liegt brav.
Und Anna weiss nicht, was sie dazu sagen soll... und redet, schreibt. Voilà.