September, Heidelbeeren und ein kleines grosses Unglück
Es ist September und es regnet Heidelbeeren. Anna hat eine Quelle gefunden, die jung macht. Daraus trinkt sie jetzt, wenn sie kann, täglich. Sie schläft weniger, lacht mehr. Und isst Heidelbeeren auf einem lauten Balkon. Dass der laut ist, ist nicht wichtig. Dass das Meer nicht weit ist und man drin baden kann, ist es. Prioritäten verschieben sich.
Und der kluge Mann spricht von Zizou als Picasso. Dass er das kann, ist auch wichtig. Und dass er Spinoza schlafen legt, wenn Anna kommt und von Fussball als Allheilmittel schwafeln will. Dann schwafelt er mit und weil er das so viel besser noch als Anna selbst kann, muss sie wieder lachen. Dass der kluge Mann ein so guter Freund ist und so wunderbar Kaffee trinken kann, ist ein Glück. Darauf isst Anna noch ein paar Heidelbeeren. Denn es sind immer noch welche da.
Dann sieht sie Nicoletta und möchte sie in den Arm nehmen, weil sie so traurig aussieht. Macht es aber nicht, weil Annas das so selten machen und eigentlich nie den richtigen Moment dafür finden. Der richtige Moment ist immer schon vorbei, wenn man an ihn denkt. Und Tränen kann man leider nicht riechen. (Anna jedenfalls nicht.) Nicoletta ist grandios und schön und klug ist sie auch. Dass ihr gerade ihr Lachen abhanden gekommen ist, ist daher ein Unglück und muss behoben werden. Anna könnte ihr Heidelbeeren bringen, aber Heidelbeeren helfen nicht allem und jedem. Befürchtet Anna leider richtig, denn bei Nicoletta hat sie welche gesehen. Und traurig sah Nicoletta trotzdem aus. Das soll nicht sein, Nicoletta; nicht dafür, nicht du, nicht jetzt. Könnte Anna sagen, sagt sie aber nicht. Lieber fährt sie ans Meer mit ihr, morgen, wenn die Sonne noch gelber scheint und vielleicht kommt ein guter Moment.
Heute aber macht Anna ein kleines Fest auf ihrem lauten Balkon, denn es ist September und wenn es regnet, regnet es Heidelbeeren.