Vom heiligen Stephan und anderen Germanisten
Tagebuch einer Reise
Saint-Etienne, den 4. Juni 2009
So manche Stadt schleppt ihren schlechten Ruf mit sich herum und weiss nichts anfangen damit. Saint-Etienne hat auch einen, er steht ihr gut, man ist gnädig und befindet: So schlimm ists nicht. Schönes Wetter, die Menschen nicht unfreundlicher als an anderen Orten dieses seltsamen Landes. Und immerhin befinden wir uns quasi im Süden.
Sprich, Annas erster Eindruck ist kein schlechter. Ganz im Gegenteil, die Putzfrauen, die Verkäuferinnen, die Studentinnen sind verdammlch sympa und letztere duzen Anna vom Fleck weg, wofür sie sir am liebsten umarmt hätte. Anna könnte also immer noch eine von ihnen sein. Und schon das ist eine Errungenschaft, die sie mitnimmt von hier. Mit den Germanisten tut Anna sich schwerer... Beim Abendessen rettet sie der Mann, der sie hierher geschickt hat und spricht Gottundihmseigedankt von Fussball. Da kann Anna mit, das gefällt ihr. Dafür verzeiht sie ihm auch, dass ihn ihr Dekolletee eigentlich nichts angeht. Und die Ohrringe und die hochgesteckten Haare. (Schaut seine Frau sie, Anna, böse an? Nicht doch! Anna versteckt das genannte Dekolletee in einem Jäckchen. Es geht keinen etwas an.)
Die Nacht ist heiss und hat zu viel Promille. Schleppt sich, bis der Mûllmann kommt und reicht nicht bis zum Kaffee. Anna geht müde zur ersten Sitzung und weiss gar nicht, was heut passiert. Und noch weniger morgen.
Nur dass sie eigentlich vielleicht nicht hierher gehört.